Salzburg und der Frieden von Pressburg

Geschichte
17. Mai 2023

Mit dem Frieden von Pressburg stoßen wir in der Donaustadt an ein Großereignis europäischer Bedeutung. Dieser Friedensschluss besiegelte eine bittere Niederlage Österreichs, bei der es nicht nur Tirol und Dalmatien verlor, sondern es im Jahr darauf zur Gründung des Rheinbundes und zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation durch Franz II kam. Andererseits fiel das vormalige Fürsterzbistum Salzburg, welches erst 1803 säkularisiert und zu einem Kurfürstentum aufgestiegen war, nach einigen Wechseln und Turbulenzen mit Bayern schließlich an Österreich.

 

Primatialpalais

Der Pressburger Frieden ist untrennbar mit dem Namen Napoleons verbunden, der mehr als jeder andere in Europa das großpolitische Geschehen dominierte und blutige Schach-Matt-Spielchen trieb, bei denen Kaiser und Könige umfielen und Reiche umgestaltet wurden. So erlosch das seit dem 10. Jahrhundert existierende Heilige Römische Reich Deutscher Nation am 6. August 1806 mit der Niederlegung der Reichskrone durch den Habsburger Kaiser Franz II. Viele Freunde östlich des einstigen Eisernen Vorhangs wissen wenig darüber, dass ein Österreicher die Reichskrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation getragen hat. Und überhaupt ist die Frage, was deutsch und was österreichisch ist, eine recht komplexe.

Der ebenso umtriebige wie skrupellose kleine Korse und damals mächtigste Mann Europas ist schuld daran, dass französische Kanonenkugeln auch heute noch in den Mauern des altehrwürdigen Rathauses von Bratislava und in einigen weiteren Gebäuden der Stadt stecken. Das mit „klein“ soll übrigens nicht ganz stimmen, denn laut seinem Totenschein soll Napoleon 1,66 Meter gemessen haben, was bei der damaligen Durchschnittsgröße von 1,61 Meter sogar etwas mehr war als bei seinen Zeitgenossen. Ob aber groß oder klein, kein Mensch hat die Epoche Europas von 1799 bis 1815 stärker geprägt als Napoleon Bonaparte, und auch Pressburg hat es zu spüren bekommen. Der Dichter Christian Morgenstern nannte ihn „ein Naturereignis“. Er steht einerseits für den Einzug der Moderne in Europa, andererseits aber auch für das neue, totale Gesicht des Krieges, denn seine Schlachten stellten die Existenz von Staaten in Frage und mobilisierten ganze Völker. Die Zahl der Opfer interessierte Napoleon nicht. Seine Soldaten waren Kanonenfutter im wahrsten Sinn des Wortes.

Primatialpalais in heutiger Zeit (Foto: Robert Hofrichter)

Auch für die Habsburger wurde Napoleon schicksalshaft. 1796 führte er den Italienfeldzug, bei dem den Franzosen in Norditalien österreichische und sardinisch-piemontesische Truppen von etwa 70.000 Mann gegenüberstanden. Die konservativen Feldherren und Gegner von Napoleon wurden schlichtweg überrannt. Der Sieg gegen Österreich und die Besetzung Belgiens, der Lombardei und des Rheinufers ebneten den Weg zu seiner Macht.

Doch seinen größten militärischen Erfolg feierte Napoleon 1805 mit der sogenannten „Dreikaiserschlacht“ oder Schlacht von Austerlitz in Mähren am Montag, dem 2. Dezember 1805, in der er Österreich und Russland schlug.

Kurioserweise war die Dreikaiserschlacht eigentlich nur eine Zweikaiserschlacht, zumindest waren nur Alexander I. und Napoleon I. persönlich zugegen, der Habsburgerkaiser Franz (der I. und II., beides trifft zu) hingegen nicht. Dem schon lange angeschlagenen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation versetzte Napoleon den Todesstoß, die Sou­­ve­ränität von Frankreich über Venedig, Istrien und Dalmatien wurde hingegen besiegelt.

Am 4. Dezember 1805 traf Napoleon mit Kaiser Franz II. zusammen und zwei Tage später schloss er in Austerlitz einen Waffenstillstand, dessen erste Bedingung der sofortige Abzug der Russen war. Am 26. Dezember schließlich stieg Österreich durch den Frieden von Pressburg völlig erschöpft aus dem Krieg aus. Den Vertrag unterzeichneten Johann I. Josef von Liechtenstein und Ignatz Graf von Gyulai für Österreich sowie Charles-Maurice de Talleyrand für Frankreich. Am Tag darauf ratifizierte ihn Napoleon im Schloss Schönbrunn in Wien. Kaiser Franz I. musste den Korsen als Kaiser anerkennen. Das Fürsterzbistum Salzburg, das 1803 säkularisiert und zu einem Kurfürstentum erhoben worden war, kam als Ausgleich an Österreich.

So klein ist die Welt, wenn man lange genug historische Dimensionen betrachtet. Die zwei alten Städte Pressburg und Salzburg kamen sich bei einem Ereignis europäischer Bedeutung wieder einmal nahe. Eine der bittersten Niederlagen Österreichs wurde ausgerechnet durch den Frieden von Pressburg besiegelt, der in der Liste der bedeutendsten Friedensschlüsse der Geschichte geführt wird, unterschrieben im Primatialpalais, in dem heute der Bürgermeister von Bratislava sitzt.

Gedenktafel des Friedensvertrages von Pressburg im Primatialpalais (Foto: Robert Hofrichter)

Nach dem Frieden von Pressburg gewann Johann Philipp von Stadion als Außenminister entscheidenden Einfluss auf die Politik Österreichs. Er hoffte, dass sich die anderen deutschen Länder bei einem neuerlichen Krieg Österreich anschließen würden. Es sollte als Speerspitze der deutschen Nation gegen Napoleon auftreten. Gleichzeitig bemühte sich die österreichische Führung auf der diplomatischen Bühne um ein Bündnis mit Großbritannien, Preußen und Russland. Stadion war aber ungeduldig und schlug letztlich früher los, bevor irgendeine Reform umgesetzt oder eine Koalition wirklich geschmiedet war.

Die Österreicher eröffneten den Krieg unter dem Oberbefehl von Erzherzog Karl am 10. April durch einen Angriff auf das mit Frankreich verbündete Bayern. Die Einheiten rückten über den Inn vor und eine Division stand bei Salzburg. Es kam, wie es kommen musste. Obwohl Napoleon nicht gut vorbereitet war, drängte er die Österreicher immer weiter nach Osten ab, bis schließlich Wien am 13. Mai von den Franzosen besetzt wurde. Die Wiener bereiteten Napoleon einen eisigen Empfang.

Am 21. und 22. Mai gelang es zwar Erzherzog Karl, „Überwinder des Unüberwindlichen“, in der Schlacht von Aspern Napoleon eine erste Niederlage in einer Feldschlacht zuzufügen. Die Nachricht verbreitete sich rasch in ganz Europa, der Mythos der Unbesiegbarkeit Napoleons war beschädigt. Dennoch hatte der Sieg der Österreicher keine kriegsentscheidende Bedeutung. Nach der Schlacht standen sich die Heere auf beiden Seiten der Donau etwa sechs Wochen lang gegenüber, und Napoleon nutzte die Zeit, um weitere Truppen heranzuführen.

Napoleons Pappel. Von hier aus beobachtete Napoleon die Stadt.

In diese Zeit fiel auch die Belagerung von Pressburg, an der 40.000 Soldaten beteiligt waren. Sie dauerte vom 1. Juni bis zum 13. Juli 1809. Die napoleonischen Truppen hatten ihre Stellungen auf der rechten Donauseite in Engerau (heute Petržalka, wo die riesige Plattenbausiedlung steht) aufgebaut und sowohl die Burg als auch die Altstadt unter Beschuss genommen. 143 Häuser brannten nieder, viele Menschen kamen ums Leben. Die Schäden waren groß. Als Erbe blieben Kanonenkugeln in manchen alten Gebäuden der Stadt stecken. Den Franzosen gelang es dennoch nicht, die Stadt zu erobern.

Zur Erinnerung an Napoleon vor Pressburg finden in Bratislava jedes Jahr spektakuläre Feierlichkeiten statt. Im Stadtpark „Sad Janka Kráľa“ in Petržalka (in der Monarchie „Aupark“ genannt), wo die französische Armee ihre Stellungen und Kanonen aufgebaut hatte, ziehen im Juni kostümierte Einheiten in den buntesten zeitgenössischen Uniformen durch, Ungarn, Tschechen, Bosniaken, Franzosen, Österreicher … Berittene Offiziere jagen durch den Park und (zum Glück nur harmlose) Kanonenschüsse werden abgefeuert. Die Bewohner von Bratislava kommen mit Kind und Kegel zusammen, um dem Spektakel zu folgen.

„Sad Janka Kráľa“ in Petržalka („Aupark“ )

Die verlustreiche Schlacht, bei der Napoleon den Erzherzog entscheidend schlug und die das Ende des Krieges einleitete, fand am 5. und 6. Juli bei Wagram statt. Nach und nach zogen sich die Österreicher nach Mähren zurück, wo sie nach mehreren kleineren Schlachten letztlich bei Znaim (Znojmo) am 11. Juli definitiv aufgaben und durch Erzherzog Karl in einen Waffenstillstand einwilligten.

Die antinapoleonische Stimmung erreichte in der Bevölkerung zu jener Zeit offenbar einen Höhepunkt, denn der Feldzug gegen die Franzosen war populär und eine patriotische Begeis­terung erfasste – unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit – große Teile des Habsburgerreiches. Erzherzog Karl proklamierte, dass Österreich „… nicht bloß für seine Selbständigkeit, sondern für Deutschlands Unabhängigkeit und Nationalehre“ kämpfte. Doch erfüllten sich die Hoffnungen auf einen allgemeinen Volksaufstand in Deutschland nicht, abgesehen von regionalen Aufstandsbewegungen wie jener von Andreas Hofer in Tirol gegen die bayerisch-französische Besatzung.
Das definitive Ende der Macht Napoleons sollte erst sechs Jahre später, 1815, nch der Schlacht von Waterloo kommen.

Robert Hofrichter

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