Kittsee: Spaziergang in die Nachbarortschaft Pressburgs

Geschichte
27. Januar 2024

Viele von uns, ich meine von uns Pressburgern, fahren oder spazieren ab und zu in die nur wenig Kilometer entfernte Nachbarortschaft Kittsee. Verwaltungstechnisch zählt sie zum Bezirk Neusiedl am See in Burgenland. Für diese Ecke der einstigen Monarchie hat sie wenig überraschend viele Namen: slowakisch Kopčany, ungarisch Köpcsény und kroatisch Gijeca. Doch ist sie auch als Marillenortschaft bekannt ist. Warum? Weil in Kittsee etwa 30.000 Marillenbäume wachsen, die jährlich bis zu 700.000 kg süße Marillen liefern. Ihr typisches Aroma verdanken sie dem pannonischen Klima mit heißen Sommern und der besonderen Bodenbeschaffenheit der Region. Die meisten Sorten sind hervorragend für Marmeladen geeignet, und auch das Schnapsbrennen kommt nicht zu kurz. 

Blühende Marillengärten rund um Kittsee. Foto: Peter Janoviček

Wenn man als „Tourist“ aus Richtung Pressburg/Bratislava in die Ortschaft spaziert, wird man von vielen historischen Sehenswürdigkeiten überrascht. Gleich am Anfang erblickt der Besucher auf der rechten Seite einen Friedhof mit vielen bekannten Namen, von denen ein Teil kroatisch ist. Nach der Zerstörung der Ortschaft durch die Osmanen im 16. Jahrhundert wurde sie anschließend vor allem durch kroatische Bauern besiedelt – daher auch der kroatische Name Gijeca. Seit 1898 trug die Ortschaft aufgrund politischer Entscheidungen in Budapest den Namen Köpcsény.

Der Hauptplatz in Kittsee auf einer historischen Postkarte. Quelle: www.best-of-burgenland.com

Anfang des 20.Jahrhunderts kehrten viele Bewohner aus Amerika zurück und bauten neue Häuser und Strassen. Dieser neue Teil der Ortschaft kam so zu seinem Namen Chikago.

Chikago mit Gedenktafel – so wurde ein Teil der Ortschaft Kittsee benannt. Foto: Peter Janoviček

Wenn wir nach Besichtigung des Friedhofes unseren Spaziergang fortsetzen und nach rechts abbiegen, sehen wir links ein massives Bauwerk. Es ist das sogenannte Alte Schloss von Kittsee, dessen Geschichte bis in das 12. Jahrhundert zurückgeht. Doch wurde in der stürmischen Geschichte die ursprüngliche Burg zerstört und erst im 14. Jahrhundert wiedererbaut. Mehrere Adelsfamilien wechselten dabei als Eigentümer. Einige Jahrzenhnte lang gehörte die Burg auch der Familie Batthyány-Strattmann. Für die Gemeinde Kittsse war vor allem die Tätigkeit des Arztes Dr. Ladislaus Batthyányi von großer Bedeutung. Dieser anerkannte Augenspezialist und großherziger Philanthrop gründete hier im Jahre 1902 ein Spital.  

Schloss Kittsee bei Bratislava, Gravur von M. Greischer, um 1680, Quelle: Wikimedia Commons

Gleich neben dem alten Schloss befindet sich der denkmalgeschützte Jüdische Friedhof. Kittsee gehörte nämlich zu jenen Gemeinden, in denen sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts unter dem Schutz der Fürsten Esterházy Juden niederlassen durften. Anfang des 19. Jahrhunderts lebten hier fast 800 Juden. Ihre Zahl ist in den darauf folgenden Jahrzehnten jedoch stark gesunken. Noch vor dem 2. Weltkrieg im Jahre 1938 kam es dann zu ihrer völligen Vertreibung aus Kittsee. Nachts wurden sie aus ihren Häusern geholt und auf eine Sandinsel in der Donau vertrieben. Hilfe bekamen sie dort von Einwohnern des Dorfes Devín (Theben, damals Tschechoslowakei, heute Slowakei), die ihnen vorübergehend Unterkunft geboten haben. Später haben sich auch jüdische Hilfsorganisationen in Bratislava für die Vertriebenen engagiert und den Kittseer Juden bei der Emigration geholfen.

Jüdischer Friedhof. Foto: Peter Janoviček

Nach der Besichtigung des Jüdischen Friedhofs könnten wir unseren Spaziergang in Richtung der Adresse „Dr.-Ladislaus-Batthyany-Platz 1“ fortsetzen. Nach etwa 15 Minuten erreichen wir das Tor dieses Neuen Schlosses mit einer grossen Parkanlage.

Das Schloss wurde Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut und gehört mit seinem Park zu den bedeutenden Barockanlagen des nördlichen Burgenlandes. Bis Ende 2008 diente als Ethnographisches Museum, doch ist dieses seitdem leider geschlossen. Heute befindet sich hier ein regionales Kulturzentrum. Das Bauwerk erlebte im Laufe der Zeit viele düstere und tragische Momente. Allein schon im Verlauf der letzten Jahrhunderte wechselte es mehrere Besitzer. Ein Umbau im Barockstil erfolgte in den Jahren 1730 bis 1740 unter der Herrschaft von Paul Graf Esterházy. Das Schloss war in dieser Zeit grosszügig ausgestattet; in den Stallungen konnten 36 Pferde untergebracht werden. Viele prominente Besucher der damaliger Zeit genossen als Jagdgäste der Familie Esterházy die Gastfreundschaft des Schlosses und dessen Eigentümer. Übrigens übernachtete hier auch Maria Theresia auf ihrer Durchreise nach Preßburg. Ab 1870 gehörte das Schloss dann der Familie Batthyány-Strattmann, wobei der bereits erwähnte Dr. Ladislaus Fürst Batthyány-Strattmann es erst gegen Ende des 19.Jahrhunderts von seinem Vater geerbt hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ er umfangreiche Bauarbeiten durchführen und fast alle Innenräume wurden neobarock umgestaltet. Auch eine neue Bibliothek wurde eingerichtet. Da der prominente Augenarzt immer wieder mittellose Patienten ohne Honorar behandelt hatte, wurde er häufig als „Arzt der Armen“ bezeichnet. Das Krankenhaus in Kittsee wurde von diesem Wohltäter im Jahr 1902 aus eigenen Mitteln errichtet.

Barockschloss mit Schlosspark.Foto: Peter Janoviček

In den Jahren des Zweiten Weltkrieges diente das Schloss als Lazarett, gegen Kriegsende wurde es aber ziemlich schwer beschädigt. Auch unmittelbar nach dem Kriegsende erlitt das Neue Schloss schwere Schäden. In dieser Zeit wurden einige noch benutzbare Räume von der russischen Kommandantur besetzt, später wurden hier einfache Wohnungen für Flüchtlinge eingerichtet. Die Erbfolger der letzten Besitzer haben das Schloss schließlich im Jahre 1961 an Manfred Mautner-Markhof verkauft, der es aber bald weiterverkauft hat. Dadurch erlebte das Schloss vielleicht seine schlimmste Zeit, da die neuen Besitzer auch die letzten verbliebenen Wertgegenstände und Einrichtungsgegenstände weiterverkauft haben. Erst 1966 hat die Gemeinde Kittsee schliesslich das Objekt durch den Kauf vor dem völligem Niedergang gerettet. Es folgte eine komplette Sanierung, und, wie bereits erwähnt, dient die Anlage derzeit als regionales Kulturzentrum, in dem vor allem in den Sommermonaten zahlreiche Veranstaltungen der Sommerakademie wie Konzerte und Theatervorführungen stattfinden.

Ludwig Landerer – Brandruinen von Kittsee, 1830. Quelle: Galéria mesta Bratislavy

Umgebung von Hundsheim und Prellenkirchen und Kittsee in Ungarn, Schweickhardt 1837. Quelle: Wikimedia Commons

Renáta Janovičková

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