Das Hakenkreuz über Theben

Geschichte
25. September 2022

Seit dem Altertum war Theben an der Donau (Devín) eine strategische Militär- und Handelsbastion, die zur Aufgabe hatte, den Durchgang durch die historische „Porta Hungarica“ (Thebener Pforte) zu bewachen, d.h. den Durchbruch der Donau durch die Karpaten, an der Kreuzung der alten Donau- und Bernsteinstraße. Theben ist gleichzeitig ein wichtiges Symbol in unserer Region. In der Neuzeit wurde es von Ungarn, Slowaken, Tschechen und auch von Deutschen als ihr eigenes betrachtet. Für die Ungarn symbolisierte Theben den westlichen Ausläufer des alten „Arpadenreiches“, dessen 1896 mit der Errichtung eines Millenniumsdenkmals auf dem Burgberg von Theben gedacht wurde. Slowaken und Tschechen blicken ebenfalls nostalgisch auf Theben und erinnern sich an die glorreichen Zeiten ihrer slawischen Vergangenheit, an die großmährische Tradition und an die Mission von Kyrill und Methodius. Die Deutschen betrachteten Theben als ein Gebiet ihrer historischen Bemühungen, ihren Einfluss und ihre Macht nach Osten auszuweiten. Der Hügel mit der Burgruine und der angrenzenden Siedlung hat in den letzten 100 Jahren mehrfach den Besitzer gewechselt. Von der Familie Pálffy über den tschechoslowakischen Staat, das nationalsozialistische Deutsche Reich, später gehörte er erneut zu der Tschechoslowakischen Republik, zurzeit ist er ein Teil der Slowakischen Republik. In diesem Artikel lesen Sie über eine kurze und relativ wenig bekannte Periode der deutschen Herrschaft auf Theben während des Zweiten Weltkriegs.

Hölzernes Hakenkreuz auf der Spitze der Burgruine Theben. Eine Postkarte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die das Interesse des Verfassers dieses Artikels an der Geschichte von Theben in diesem Zeitraum geweckt hatte. (Quelle: Archiv des Autors)

 

Unsere Geschichte beginnt am 12. März 1938, als die deutsche Wehrmacht die Grenze zu Österreich überschritt und der Anschluss – Eingliederung – Österreichs an das Deutsche Reich begann. Österreich wurde daraufhin zur deutschen Provinz Ostmark. Damit rückte die Grenze des nationalsozialistischen Deutschen Reiches in die Nähe von Bratislava. Die Deutschen machten keinen Hehl aus ihrer Absicht, die damals zur Tschechoslowakei gehörenden Gebiete zu erwerben, insbesondere diejenigen mit überwiegend deutscher Bevölkerung. Bereits am Sonntag, den 15. Mai, organisierten die Pressburger Deutschen, die zu den Mitgliedern der faschistischen Partei von Henlein gehörten, einen provokativen Marsch nach Theben. Diesen March glossierte die slowakische linke Zeitung Robotnícke noviny wie folgt:

„Diese Pressburger Nazis äffen die Reichsdeutschen wirklich nach, aber sie machen es nicht gut genug. Sie schreien zwar „Ein Volk, ein Führer, ein Sieg!“, aber sie sprechen sich weiterhin mit „Kamerad“ an, sie sind doch alle Pressburger. In jedem Moment schleicht ihnen ein „báči“ oder „néni“ davon und von all dem Stampfen, „Sieg Heil!“-Schreien und Heulen mögen sie am liebsten das Sitzen in einem Heurigen.“

Im Herbst 1938 herrschte in der Gesellschaft eine allgemeine Verunsicherung, die auf die Folgen des Münchner Verrats zurückzuführen war, durch den die Tschechoslowakei ihre mehrheitlich von Deutschen bewohnten Gebiete verloren hatte. Es wurde mit großer Spannung erwartet, wie sich der Vertrag auf das Gebiet von Theben auswirken würde. Das Ergebnis der Verhandlungen wurde schließlich am Abend des 21. November 1938 in einer Rundfunksendung bekannt gegeben, in der verkündet wurde, dass die Tschechoslowakei „das altberühmte Theben auf dem slowakischen Gebiet verlieren“ würde. Es drohte außerdem, dass sie sogar um die Quellen der Pressburger Wasserleitung auf der Insel Käsmacher (Sihoť) kommen würde. Die neue deutsche Grenze am linken Donauufer sollte bis zur Villa Lanfranconi und der Mündung des Baches Weidritz (Vydrica) reichen. Theben sollte dem Bau des Donau-Oder-Kanals geopfert werden, auf der Burg und auf dem Thebener Kogel plante das Deutsche Reich militärische Festungen zu errichten. Karlsdorf (Karlova Ves) sollte weiterhin zum slowakischen Gebiet gehören.

Die Notwendigkeit des Anschlusses von Theben an das Reich wurde offiziell mit der deutschen Bevölkerungsmehrheit begründet (1937 lebten in Theben 859 Deutsche, 492 Slowaken und Tschechen und 51 Ungarn), doch die Wahrheit sagte der Vorsitzende der Deutschen Partei in der Slowakei, Franz Karmasin: „Die Deutschen wollten damals auch Theben besitzen, Hermann Göring – als preußischer Ministerpräsident und auch als Befehlshaber der deutschen Luftwaffe – bestand auf dem Standpunkt, dass Theben als Gemeinde bzw. Stadt interessant ist, weil der Thebener Kogel sich oberhalb von Theben befindet. Er soll wortwörtlich gesagt haben, dass er „sich nicht in die Küche schauen lässt“, womit er Asbach und Schwechat meinte.“ Es handelte sich also in erster Linie um die strategischen Gebiete des Thebener Burgfelsens und des Thebener Kogels, von denen aus die Umgebung kontrolliert werden konnte, sowie um den Zusammenfluss von der March (Morava) und der Donau im Zusammenhang mit dem geplanten Donau-Oder-Kanal.

Der Anschluss an das Deutsche Reich

Am 23. November herrschte ein reges Treiben auf der Landstraße, die Theben mit Bratislava verbunden hatte. Die tschechischen Beamten und ihre Familien verließen das Dorf und die Bürger von Bratislava brachten ihr Hab und Gut aus ihren Gärten in Theben weg.

Unter den deutschen Bewohnern herrschte dagegen Optimismus. Sie hofften auf ein besseres Leben unter Hitler, obwohl sie ihre Angst – durch einen Fluss vom Reich getrennt zu werden – nicht verbargen.

Der Tag des Anschlusses von Theben an Deutschland kam am Donnerstag, am 24. November 1938. Die Bürger der Stadt jubelten.  Die Häuser der Ortschaft waren mit deutschen Fahnen geschmückt, und im Hafen unterhalb der Burg warteten 400 Menschen auf die Motorboote, die deutsche Truppen, Beamte und Polizisten an der Donau nach Theben brachten. Bei der Zeremonie übergaben die slowakischen Behörden die Verwaltung der Gemeinde an die Deutschen. Es folgte ein festliches Mittagessen und ein gemeinsamer Aufstieg zur Burg. Die Bürger von Theben errichteten einen Triumphbogen mit der Aufschrift „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ und auf dem Felsen von Theben, an der Stelle des ehemaligen Millenniumsdenkmals, wurde die tschechoslowakische Fahne gesenkt und durch eine große Reichsflagge mit Hakenkreuz ersetzt.

Das Triumphtor mit der Aufschrift „Heil Hitler“ unter dem Osttor der Burg Theben. (Quelle: Archiv des Autors)

 

Am Abend gab es einen Fackelzug durch die Ortschaft und ein Festessen, denn die deutsche Wehrmacht hatte die Angewohnheit, in den besetzten Gebieten Gulasch an die Einwohner zu verteilen.

Der Verlust von Theben – einem Denkmal der nationalen Geschichte – schmerzte die Slowaken. Zumindest die Frage der strategischen Wasserinsel (Käsmacher) wurde zur Zufriedenheit der Pressburger gelöst. Die Deutschen gaben das gesamte Gebiet an die Slowakei zurück, verlangten aber im Gegenzug eine territoriale Entschädigung im Gebiet von Karlsdorf und auf dem Thebener Kogel.

Poststempel Theben – Niederdonau: Theben an der Donau wurde zur „südlichsten Gemeinde des Großdeutschen Reiches am linken Donauufer“, wie es in der zeitgenössischen Presse hieß. Zusammen mit Engerau an der Donau (Petržalka), das bereits am 10. Oktober vom Reich annektiert worden war, wurden sie in eine deutsche Gebietseinheit namens Reichsgau Niederdonau an der unteren Donau eingegliedert, deren Verwaltungssitz offiziell Krems an der Donau war, die aber ihren Sitz in Wien hatte. „Reichsgau Niederdonau“ war einer der 7 Bezirke des damals untergegangenen Österreichs, der von 1938 bis 1942 den bereits erwähnten Namen Ostmark trug. 1942-1945 hieß dieses Gebiet offiziell „Alpen- und Donau-Reichsgaue“. Die für Theben zuständigen Ämter befanden sich in Hainburg an der Donau und Bruck an der Leitha. (Quelle: Archiv des Autors)

 

Nach einem Bericht vom 30. März 1940, der in der Zeitschrift „Gardista“ der Hlinka-Garde veröffentlicht wurde, erfolgte am 11. März 1939, also drei Tage vor der Deklaration des slowakischen Staates, die Lieferung von Waffen an die Einheiten der Garde aus dem Gebiet von Theben. Die Gardisten unternahmen eine Expedition zu Fuß in die deutsche Ortschaft Theben, wo die dortigen Nazis ihnen Waffen und Lastwagen zur Verfügung stellten, mit denen sie die tschechoslowakische Grenze durchbrachen und sie nach Bratislava brachten, um sie bei der anschließenden Übernahme der Macht im Staat durch die Volksarmee einzusetzen.

Das Leben im deutschen Theben

Die lokale deutsche Presse versorgte ihre Leser mit bombastischen Plänen des Reiches, die auch Theben betrafen. Bereits 1938 verkündete sie enthusiastisch, dass zwischen Wien und Bratislava (bei Theben) der größte Binnenhafen Europas gebaut werden sollte.

Dies sollte dank des geplanten Donau-Oder-Kanals geschehen, für den der Zusammenfluss der March und der Donau bei Theben wichtig war. Ursprünglich sollte er von der Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich gemeinsam gebaut werden, jeder auf seinem eigenen Gebiet.

Karte des geplanten 325 km langen Donau-Oder-Kanals aus zeitgenössischen Zeitungen. Dieser ehrgeizige Plan sah vor, die Ostsee über die Flüsse Oder, March und Donau mit dem Schwarzen Meer zu verbinden. Der Plan sah den Bau eines großen Hafens bei Theben vor, für den man 1939 mit der Vorbereitung des Gebiets begann. Der Bau des Wasserwerks sollte 6 Jahre dauern, aber die Pläne für den Bau wurden schließlich wegen des laufenden Krieges aufgegeben. (Quelle: Archiv des Autors)

 

Bis Juli 1939 sollte bei Theben eine Brücke gebaut werden, um die Gemeinde direkt mit der Ostmark zu verbinden. Das war nicht der Fall. Die Einwohner von Theben blieben bis zum Ende des Krieges von der unmittelbaren Kommunikation mit dem Rest des Reiches abgeschnitten. Die direkte Busverbindung nach Deutschland wurde durch die Linie Theben-Pressburg-Engerau sichergestellt, die auf slowakischem Gebiet nicht hielt. Die Linie fuhr 4 Mal am Tag. Allerdings war es ein langwieriger Transport mit einem Umweg von 30 km zwischen Theben und Hainburg. Der Grenzübergang befand sich auf der Insel Käsmacher. Dort stand ein einfacher Holzschuppen mit einer Schranke. Von dort aus gab es eine Inlandsverbindung zwischen der Grenze und der Gemeinde. Eine weitere Möglichkeit, um ins Reich zu gelangen, war auch die Schiffsverbindung Theben -Hainburg.

Während des Krieges gab es in der Ortschaft Theben nur wenige Arbeitsmöglichkeiten. Die Bürger mussten wegen der Arbeit pendeln oder umziehen. Die Männer der Gemeinde meldeten sich zur Wehrmacht und die regionalen Zeitungen lobten propagandistisch ihre außerordentliche Tapferkeit. In Wirklichkeit häuften sich jedoch die Nachrufe und Todesanzeigen von Einwohnern Thebens  im Zusammenhang mit den Misserfolgen der deutschen Armee an der Ost- und Westfront sowie die Gedenkfeiern für die „gefallenen Helden“ in der Gemeinde.

Eine der wenigen wirklich positiven Auswirkungen des Anschlusses von Theben an Deutschland war die Instandsetzung der örtlichen Schule und der Bau einer Kanalisation und eines Wasserversorgungssystems während der deutschen Herrschaft in der Gemeinde.

Das Amphitheater

Nach dem Anschluss von Theben an das Deutsche Reich waren fast die einzige nennenswerte Belebung des Lebens in dem geschlossenen Dorf die Kundgebungen oder Massenversammlungen, die im neu errichteten Amphitheater auf dem Burgberg von Theben stattfanden. Den Anstoß zu seiner Errichtung gab das so genannte „Grenzlandtreffen“. Es war eine Propaganda-Idee, ein Treffen von Deutschen aus dem Reich mit denen zu organisieren, die in den Ländern Mittel- und Südeuropas lebten. Die Versammlung fand am Pfingstsonntag, dem 28. Mai 1939, statt und wurde trotz des schlechten Wetters von 15.000 Menschen besucht. Der Bereich des Amphitheaters wurde mit zahlreichen deutschen Fahnen geschmückt. Auf der Burgruine wurde ein hölzernes Hakenkreuz errichtet, das von Glühbirnen beleuchtet wurde.

Das deutsche „Grenzlandtreffen“ auf einem Foto in einer zeitgenössischen Zeitung. Die Bildunterschrift informiert: „Das große „Treffen im Grenzland“ in Theben: In Theben, der Ortschaft zwischen der Donau und den Kleinen Karpaten, fand gestern ein großes Grenztreffen aller Deutschen aus dem südostdeutschen Kulturraum statt. Deutsche aus Pressburg, Iglau (Jihlava), Wischau (Vyškov), Zips, der Schüttinsel (Žitný ostrov) und den Karpatendörfern nahmen zum ersten Mal an einem solchen Treffen teil. Unser Bild zeigt die Teilnehmer des Treffens während der Zeremonie. Im Hintergrund sieht man den Thebener Felsen und die Donau.“ (Quelle: Archiv des Autors)

 

Auch die Slowaken durften ihr eigenes Fest in Theben organisieren. Es war so etwas wie eine Geste des guten Willens seitens der deutschen Behörden, die am 5. Juli 1939 die „Tage der Auslandsslowaken“ in Theben zuließen. Die Behörden gestatteten den Slowaken den problemlosen Grenzübertritt (auch ohne Pass), um an dieser Feier teilzunehmen, die sich zu einer „nationalen Wallfahrt“ nach Theben anlässlich des Hl. Kyrill und Methodius veränderte. Ein ähnliches Ereignis wiederholte sich dann im folgenden Jahr.

Während des Krieges konnten keine weiteren Veranstaltungen im Amphitheater organisiert werden. Der Rohbau wurde schließlich am Ende des Zweiten Weltkriegs fertig gestellt, aber das Gebäude wurde erst 1948 vollständig beendet. Der Bau des Amphitheaters markierte auch den Abhang des Burgbergs, sogar Teile der noch damals stehenden Burgmauern mussten dabei abgerissen werden.

Ansicht der Gemeinde Theben auf einer historischen Postkarte: Trotz der ehrgeizigen Pläne des Deutschen Reiches blieb die Silhouette von Theben erhalten. Weder die militärische Festung auf dem Burgberg noch der riesige Donauhafen wurden gebaut, was das Aussehen der Ortschaft dramatisch verändert hätte. (Quelle: Archiv des Autors)

 

Die Befreiung und was danach kam

Die deutsche Bevölkerung von Theben verfolgte mit großer Angst den Vormarsch der sowjetischen Armee auf Pressburg. Wer konnte, lief weg. Diejenigen, die geblieben waren, wurden nach der Befreiung ihrer neu erworbenen tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft beraubt, aus der Republik vertrieben und mit ihrem notwendigsten persönlichen Besitz über die Donau nach Österreich geschickt.

Theben wurde am 6. April 1945 von den Einheiten der 2. Ukrainischen Front der Roten Armee befreit. Technisch gesehen befand sich die Gemeinde bis Ende Juni in der „Kampfzone“. Das hinderte sie jedoch nicht daran, nach sechs Jahren wieder zum Schauplatz der Feierlichkeiten zum 1. Mai zu werden. Die tschechoslowakischen Fahnen wehten wieder über Theben und in der Ortschaft war die slowakische Sprache zu hören.

Am 5. Juli 1945 fand in Theben der „Allslawische Tag“ statt. Die Tageszeitung Pravda bezeichnete die Zeremonie als „eine Hommage der slowakischen Nation an Generalissimus Stalin“.

In Theben endete zwar die braune Diktatur, aber die rote Diktatur rückte langsam näher …

 

Peter Janoviček

Übersetzung: Melinda Rácz

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