„Mein Pressburg“ von Josef Wallner. Teil 5: Eine berühmte Apotheke und ebenso berühmte Schlossbewohner

Geschichte
22. März 2023

Jetzt steh ich noch immer am Fischplatz, nein, ich hab Sie angeschwindelt. Ich sitz längst in einem der vielen Kaffees der Pressburger Innenstadt, gleich neben der schönen Salvator-Apotheke in der Herrengasse, gutes Neorenaissance, geschmückt mit der Christus-Figur von Alois Rigele. Die wunderbare barocke Einrichtung, die hier schon ihren dritten Standort hatte, wurde demontiert und war bis vor Kurzem Teil einer privaten Sammlung. Jetzt kehrt sie zurück und die Salvator-Apotheke wird eine neue Sehenswürdigkeit der Stadt. Die Geschichte des Hauses seit der Wende und das Hin und Her um die berühmte Ausstattung sind kein Ruhmesblatt für die Stadt Bratislava. (Auch wenn das Ende nun ein gutes ist.) Es ist nur eine von vielen Geschichten, die im Dunstkreis von Restitution und Privatisierung passiert sind. Viele alte Pressburger Familien, nach der Vertreibung in Österreich oder sonst wo sesshaft, sind nicht glücklich darüber, wie das nach 1989 gelaufen ist. Gerechtigkeit – und vielleicht nicht einmal Recht – wird es in vielen Fällen auch in Pressburg nicht geben.

An der Fassade der Salvator-Apotheke befindet sich eine Steinstatue des Christus dem Erlöser (Lat. Salvator – Retter) vom Bildhauer Alois Rigele. (Foto: Braňo Bibel, Pressburger Kipferl)

Lassen wir die Vergangenheit und genießen Sie mit mir einen Pressburger Kaffee. Einen hippen Coffeeshop mit oft ausgezeichnetem Kaffee und nicht selten einem an eine Krabbelstube erinnernden Ambiente zu finden, ist nicht schwer. Und als Wiener sollte man rasch allfällige Vorurteile gegenüber der vermeintlichen Provinz ablegen. So viele stylische Lokale auf engem Raum muss man selbst in Neubau-Bobostan einmal finden. (Ja, eine kleine große Stadt hat eben durchaus ihre Vorteile.) Alle zwei Wochen sperrt ein neues Lokal auf, wo gerade eines zugemacht hat. Namen, Konzepte und Interieur mögen sich ändern, die Besitzer bleiben nicht selten die gleichen.

Die Salvator-Apotheke.

Ich habe meinen Schanigarten gut gewählt, links der Schlossberg und gerade vor mir der Martinsdom. Noch immer bin ich unschlüssig, ob ich mir den Gang zum Schloss antun soll. Ich mag die engen Gassen hinauf – nachdem ich es geschafft habe, die Straßenschneise zu über- oder unterqueren. Besonders liebe ich den kleinen Platz vor der seit über einem halben Jahrhundert orthodox gewordenen Nikolauskirche und das elegante Sigmundstor, eine Erinnerung an die Zeit, als die Luxemburger Mitteleuropas erste Herrscherfamilie waren.

Die Nikolauskirche mit dem St. Martins Dom.

Das Schloss selbst finde ich von weitem, sehr weitem, schön. Es ist der erste Gruß der Stadt, lange bevor ich bei Berg oder Kittsee die Landesgrenze passiere. Aus der Nähe betrachtet verliert das umgekehrte Bettgestell oder der verkehrte Tisch, wie man es zu der Zeit, als es Ruine war, nannte, an Reiz. Zu kalt und abweisend wirkt es auf mich. Viel und oft wurde hier gebaut, jetzt gräbt man gerade antike Fundamente aus und vor Kurzem zwängte man eine Garage für die Parlamentarier in den Berg hinein, was bei den Bewohnern des Schlossbergs viel böses Blut machte, Bonzenwirtschaft ist ein in der Slowakei nicht wenig benutztes Wort.

Vielleicht war Bonzentum nicht einmal den ersten Bewohnern des Schlossbergs fremd. Sie zogen schon in der Steinzeit auf den strategisch günstig gelegenen Karpatenhügel. Alle anderen Völker, die diesen Teil des Donauraums je besiedelt hatten, folgten. Zur Zeit der Mährer wurde der Berg befestigt und die Geschichte von Burg und Schloss begann. Die Ungarn und Luxemburger bauten weiter, die Habsburger eroberten sie, die Hussiten griffen sie an. Zu guter Letzt ging auch in Pressburg alles seinen geordneten Gang, wie es in einem patriotischen Werk des 19. Jahrhunderts geheißen haben könnte, Stadt, Land und Burg wurden habsburgisch. Und die Habsburger bauten weiter, vor allem an den Bastionen – mit Stein aus dem nahen Kaisersteinbruch. Eine der Basteien wird selbst von den slowakischen Pressburgern noch Luginsland genannt.

Die habsburgischen Könige von Ungarn ließen aber auch die Burg umbauen, jetzt im Renaissancestil, versteht sich. Später machte Maria Theresia aus der Pressburg das barocke Schloss von Pressburg. Ihr Gemahl Franz Stephan v. Lothringen, das geliebte Mäusl, hatte in vorehelichen Zeiten hier gewohnt und ein paar Jahrzehnte danach residierten ihre Lieblingstochter Marie Christine und deren Mann Albert von Sachsen-Teschen als ungarisches Statthalterpaar auf dem Hügel über der Donau, wobei der Sitz des Statthalters genau genommen das Theresianum war.

Ankunft von Maria Theresia an der Stadtgrenze von Pressburg. (Foto: György Bencze-Kovács)

Das gibt es schon lange nicht mehr. Es fiel dem großen Feuer zum Opfer, bei dem 1811 auch das Schloss ausbrannte. An Bedeutung hatten Theresianum und Schloss damals schon längst eingebüßt. Kein ungarischer Statthalter residierte mehr in Pressburg und vieles von Wert war nach Wien geschafft worden. (Der josefinische Reformeifer hat in Kunstbelangen in Pressburg weniger angerichtet als anderswo – man denke nur an den schändlichen Umgang mit dem Prager Kunstkabinett Rudolfs II.) Im Schloss war das Militär eingezogen, nachdem es eine Zeitlang im Besitz der Kirche gestanden war. Soldaten dürften dann auch den verheerenden Brand ausgelöst haben. Pressburgs Wahrzeichen blieb Ruine bis in die Zeit des zweiten tschechoslowakischen Staates. Ein paar Jahre nach der Wende besuchte ich die Bratislavaer Burg, wie das Schloss jetzt genannt wurde, das erste Mal. Es erinnerte noch alles sehr an die sozialistischen Zeiten. Soweit ich mich erinnere, waren damals irgendwelche Sitzmöbel ausgestellt, die noch stark an das vor kurzem verblichene Regime erinnerten.

Heute ist das anders. Von außen betrachtet ist das theresianische Schloss wiedererstanden. Im Inneren blieb eine prachtvolle Rokokotreppe erhalten und einige Säle erstrahlen nun wieder im theresianischen Glanz. Im Sinne einer k. u. k. Zusammenarbeit unterstützten die Wiener Denkmalsschützer ihre Pressburger Kollegen bei der Rekonstruktion. Wechselnde Ausstellungen machten die Burg auch für die Pressburger wieder zu einer attraktiven Adresse. Die Touristen strömen sowieso in Scharen hinauf. Deshalb bleib ich meistens unten, wo es auch weit mehr zu entdecken gibt als oben, trotz rekonstruiertem barockem Schlossgarten, an dem meine kunstverständigen Pressburger Freunde wieder einmal einiges auszusetzen haben.

Josef Wallner

Bilder und Fotos: Josef Wallner und Norbert Eisner, Braňo Bibel, György Bencze-Kovács, Archiv von Pressburger Kipferln

Redaktion: Peter Janoviček

 

Der Artikel wurde ursprünglich in dem Buch „Unterwegs in Altösterreich – Kakanische Reisen von Siebenbürgen bis Triest“ (Verlag Berger, 2020), von Josef Wallner veröffentlicht.

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