„Mein Pressburg“ von Josef Wallner. Teil 10: Pressburger Prominenz

Geschichte
18. Februar 2024

Der Hauptplatz bietet einen recht bunten stilistischen Mix, im Ergebnis trotzdem ein recht harmonisches Bild. Es wär mir und wahrscheinlich auch Ihnen fad, Gebäude für Gebäude aus kunsthistorischer Sicht zu besprechen. Ich mag das Palais Kutscherfeld (in Rokoko, am Eck zur Sattlergasse), jetzt französische Botschaft, wo Rubinstein vielleicht seine Melodie in F komponierte. Schräg gegenüber steht das Palais Palugyay, in den 1880er Jahren von Viktor Rumpelmayer gebaut, mit einem bei Touristen recht beliebten Café und einem Geschirrgeschäft am Eck zur Grünstüblgasse (Zelená). Ob der Viktor Rumpelmayer mit dem Anton Rumpelmayer, Lieblingskonditor von Kaiserin Elisabeth und erfolgreicher Unternehmer an der Côte d’Azur, in Paris und Baden-Baden, verwandt war? Jedenfalls stammte Anton auch aus Pressburg.

 

Hauptplatz und Rathaus auf einer alten Postkarte.

Das prominentere Haus der Palugyay, jener Pressburger Hof-Weinhändlerfamilie von altem ungarischem Adel, von der ich Ihnen schon beim Hotel Carlton erzählt habe, steht in der Prager Straße 1 (Pražská). Geplant hat es Ignaz Feigler jun., der Pressburger Stadt- und Stararchitekt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit einem Fassadendekor, das eindeutig auf die Profession der Hausherren schließen lässt. Die Palugyay nannten es ihrem Anspruch gemäß Chateau Palugyay. Die Marke Jakob Palugyay und Söhne hatte auf dem ganzen alten Kontinent einen guten Klang. Zumindest für Österreich-Ungarn traf das auch auf Hubert J. E. zu. Das war die erste Kellerei außerhalb Frankreichs, in der Sekt nach der traditionellen Champagnermethode gekeltert wurde. Die Geschichte, nach der ein verwundeter napoleonischer Soldat aus der Champagne beim Rückzug aus Russland der Liebe zu einer Krankenschwester wegen in Pressburg hängen geblieben war und hier nämliche Sektkellerei gründete, hat etwas von einem Dreigroschenroman und stimmt somit leider auch nicht. Tatsächlich stieg ein Hubert als Teilhaber in die von Johann Fischer und Michael Schönbauer 1825 gegründete Kellerei ein. Bald wurde das gesamte Unternehmen von den Huberts übernommen und Johann Evangelist Hubert wenig später Eigentümer. Die Marke Hubert J. E. war geboren.

Grabstelle vom Jacob Palugyay am Andreas-Friedhof.

Zur Blüte führte diese dann nach Johanns frühem Tod seine Frau Pauline. Mit Beginn des kommunistischen Regimes wurden die Huberts 1948 enteignet. Heute gehört die Hubert-Kellerei zu Henkell. Enteignet wurden nicht nur die Huberts, sondern auch die Nachfolger der Palugyays, die Ludwigs, Christian Ludwig Attersees Großeltern. Die einzige Restitution an die Familie Ludwig betraf die Familiengruft am evangelischen Friedhof. So gleichen sich die Geschichten, aus welchem Land sie auch stammen, denn auch meine Görzer Freunde, die Levetzow-Lanthieri, durften von ihrem reichen slowenischen Besitz nur die Gruft am Wippacher Friedhof behalten. Auf die Toten ist man, so scheint es, nicht mehr neidisch. Heute ist das Chateau Palugyay Sitz des slowakischen Außenministeriums. (Ein Großteil des Gartens wurde Amtsgebäuden geopfert.)

Noch weit mehr Geschichten als das Palais Palugyay in der Grünstüb(e)lgasse kann ein anderes, sehr altes Haus in dieser Gasse erzählen, ja es hat ihr sogar den Namen gegeben. Das Grüne Stübel steht am Eck Grünstüblgasse–Sattlergasse. Sein gemütlicher Name stammt von den grünen Bildern, mit denen es einst geschmückt war. Hier tagten zeitweise der ungarische Landtag, der Komitatsrat und der Pressburger Stadtrat. Im Grünen Stübel wurden Urteile gefällt und Theater gespielt, vor Maria Theresia und Josef II. Heute geht’s in der Gasse weniger um Spektakel als um gutes Essen, bevorzugt aus der Ethno-Küche.

Wieder zurück auf den Hauptplatz. Neben dem Palugyay Palais steht das Haus, das meinem Geschmack am meisten entspricht. Es ist das sezessionistische Roland-Palais mit dem gleichnamigen Café-Restaurant, von dem man annehmen könnte, dass es schon immer hier war. Stimmt aber nicht, ursprünglich hatte in den Räumlichkeiten eine ungarische Bank ihre repräsentative Stadtniederlassung. Im Advent 2018 wurde das Palais durch einen Brand beschädigt, jetzt erstrahlt es wieder in altem Glanz.

Das Hauptplatz um 1947.

Die gegenüberliegende Schmalseite des Hauptplatzes nimmt das alte Rathaus mit seinem markanten Turm ein. Im Mittelalter war es eine Zeitlang sogar in Privatbesitz, die Stadtgemeinde kaufte es bald wieder zurück, da man der Meinung war, ein solcher Turm in Privatbesitz könnte die Sicherheit der Stadt gefährden. (Noch dazu war der Besitzer Jude, was die üblichen Ressentiments nach sich zog.) Über die Jahrhunderte wurde das Rathaus immer wieder verändert. Der schöne Erker kam hinzu, der Turm verlor seine Seitentürme, wurde nach einem Erdbeben restauriert, nahm bei einem Brand Schaden und wurde schließlich barockisiert. Der Innenhof sei jedem Produzenten eines historischen Films als Location empfohlen, er ist auch tatsächlich ein wenig Kulisse, denn die Rückseite des Rathauses ist neugotisches 19. Jahrhundert. Ich schätze den Platz sehr, auch der von mir wenig geliebte Christkindlmarkt (Sie erinnern sich) hat im Hof des Rathauses seinen stimmungsvollen Teil. Die Dauerausstellung im Stadtmuseum absolviert man halt einmal, die zusätzlichen wechselnden Ausstellungen mögen Ihnen Manches von Interesse bieten.

Das alte Rathaus mit seinem markanten Turm. (Bild: GMB/Webumenia.sk)

Hinter dem alten Rathaus am Primatialplatz, in der Zeit der Magyarisierung Batthyányplatz genannt, liegen zwei weitere Rathäuser: der Sitz des Bürgermeisters im Primatialpalais und gegenüber der neue Magistrat aus kommunistischer Zeit. Das pompöse Primatialpalais, also der Sitz des Primas, wurde für den Kardinal-Erzbischof Fürst Josef Batthyány gebaut. Auch ein anderer bekannter Pressburger Name ist mit dem ehemaligen Bischofssitz verbunden: Messerschmidt. Der Bruder des berühmten Franz Xaver hat die prächtigen Giebelfiguren der Wissenschaft, Vaterlandsliebe, Regierungskunst und Theologie geschaffen. Berühmt ist das Palais am ehemaligen Getreidemarkt, Tandelmarkt oder Johannisplatz aber aus einem anderen Grund: 1805 wurde in seinem Spiegelsaal der Friede von Pressburg zwischen Österreich und dem napoleonischen Frankreich geschlossen. Gedenktafeln im Foyer, eine alte auf Deutsch und eine neuere auf Slowakisch, erinnern daran. Zu dauerhaftem Frieden hat der Pressburger Vertrag bekannterweise nicht geführt, was wahrscheinlich auch keiner der damaligen Akteure erwartet hat. Für Österreich war der Vertrag eine Katastrophe. Tirol und Vorarlberg waren ebenso futsch wie Vorderösterreich mit dem Breisgau. Die erst acht Jahre zuvor dank Napoleons Gnaden gewonnenen Gebiete der Republik Venedig mit Venezien, Westistrien und Dalmatien wurden den Habsburgern auch wieder genommen. Dafür kam Salzburg erstmals an die habsburgische Hauptlinie.

Das alte Rathaus mit Turm, links das Primatialpalais.

Mit einem in Pressburg geschlossenen Friedensvertrag hatten die Habsburger auch schon vorher kein Glück gehabt. 1491 musste Maximilian I. bei diesem zweiten in Pressburg geschlossenen Frieden, der erste fällt schon auf das Jahr 1271, auf seine Ansprüche auf Ungarn verzichten. Er unterlag dem Jagiellonen Vladislav II., der fortan in Böhmen und Ungarn (mit Kroatien) herrschte. Nach dem Tod von dessen Sohn in der Schlacht bei Mohács kamen die Habsburger 35 Jahre später, 1526, schließlich doch in Ungarn an die Reihe. Mehr Glück hatten sie auch beim nächsten Frieden von Pressburg, der hundert Jahre nach der Schlacht von Mohács mit Bethlen Gábor (Gabriel Bethlen) geschlossen wurde. Es ging wieder einmal um Ungarn, das der mit den Türken, mit deren Unterstützung er sich auch zum König von Ungarn wählen ließ, verbündete siebenbürgische Fürst im Dreißigjährigen Krieg den Habsburgern entreißen wollte. Im Frieden von Pressburg akzeptierte der Protestant Bethlen endgültig seine Niederlage gegenüber dem katholischen Erzhaus. Den Rest seiner Herrschaft kümmerte er sich, durchaus mit Erfolg, um die Entwicklung von Siebenbürgen.

Spiegelsaal des Primatialpalais. Foto: Braňo Bibel

Was für ein Gerangel herrschte durch die Jahrhunderte in diesem Donau- und Karpatenraum! Wie froh bin ich, heute leben zu dürfen. Darauf sollte man anstoßen – am besten im Spiegelsaal des Primatialpalais, den man erfreulicherweise zu weit günstigeren Konditionen als einen repräsentativen Wiener Saal mieten kann.

 

Josef Wallner

Bilder und Fotos: Josef Wallner, Norbert Eisner, Braňo Bibel, Webumenia.sk, Archiv von Pressburger Kipferln.

Redaktion: Peter Janoviček

 

Der Artikel wurde ursprünglich in dem Buch „Unterwegs in Altösterreich – Kakanische Reisen von Siebenbürgen bis Triest“ (Verlag Berger, 2020), von Josef Wallner veröffentlicht.

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