„Mein Pressburg“ von Josef Wallner. Teil 11: Vom Hummel zu den Franziskanern

Geschichte
11. Juli 2024

Wo führt mich mein Altpressburger Spaziergang mit meinem mir mittlerweile zum Freund gewordenen Karl Benyovszky weiter hin? Vom Primatialplatz (Primaciálne námestie) böte sich ein Spaziergang durch die Hutterergasse (Klobučnícka) hinunter zur alten Markthalle an. Ich wollte Ihnen schon erzählen, mich ziehe es in dieser Gasse immer in das Musikgeschäft oder das Johann Nepomuk-Hummel-Museum, zu finden an derselben Adresse. Ich will ehrlich sein: Es bleibt meist bei einem Blick in die Auslage. Ihnen sei ein Besuch des Shops und des Museums aber durchaus empfohlen, Letzteres aber vor allem wegen des romantischen Innenhofes. Das aus zwei Räumen bestehende Museum selbst, eingerichtet in Hummels Geburtshaus, bietet nichts Unerwartetes, also Musikinstrumente, Büsten usw. Johann Nepomuk Hummel, Komponist, Dirigent und Musikpädagoge, zwischen Klassik und Romantik stehend, kam schon als Kind nach Wien, als sein Vater eine Stelle als Kapellmeister bei Emanuel Schikaneder antrat. Für den kleinen Johann Nepomuk hatte es den Vorteil, bei Mozart Klavier studieren zu können. Den großen Johann Nepomuk zog es als Hofkapellmeister nach Weimar, wo er nicht nur als Künstler, sondern auch als Geschäftsmann von sich reden machte, vor allem wegen seines Eintretens für den Schutz von Urheberrechten.

Das Hummel Denkmal auf der Promenade. (Quelle: Archiv von Pressburger Kipferln)

Zu Kakaniens Zeiten benannte der Pressburger Magistrat eine Gasse nach dem großen Sohn der Stadt. Heute heißt sie Nedbalova und ist nach meinem Autorenfreund Benyovszky „eine der ältesten und vom architektonischen Standpunkt bemerkenswertesten Gassen“ Pressburgs. Sie kreuzt die Hutterergasse und reicht von der Ursulinengasse (Uršulínska) hinunter zur Lorenzertorgasse (Laurinská ulica). Rund um die Nedbalova lag im Mittelalter Pressburgs Ghetto. Die Pressburger Juden, nicht die Juden vom Schlossgrund, der nicht zur Stadt gehörte, waren im 13. Jahrhundert von den ungarischen Königen der christlichen Bevölkerung der Stadt gleichgestellt worden. Im 15. Jahrhundert änderte sich die Lage für die jüdische Bevölkerung dramatisch. Sie wurde für Jahrzehnte gezwungen, Judenmantel und Kapuze zu tragen. Der jeweilige Umgang mit den Juden war über Jahrhunderte Indikator für die wirtschaftliche und politische Lage im alten Europa. Ging es schlecht, waren die Juden als Sündenböcke nur allzu oft herzlich willkommen.

Das Hummel Museum (Foto: Braňo Bibel)

Es wäre verlockend, meinen Gedankenspaziergang die Hutterergasse entlang in Richtung Marktplatz fortzusetzen und auf einen Sprung in die Bar an der Hinterseite der Jugendstilmarkthalle zu schauen. Am Samstagvormittag ist die Atmosphäre dort mit einem Hauch von Bohème durchzogen, wenn die alte Dame in die Tasten greift und mit freien Interpretationen von Wiener Klassikern und Jazzhadern das Pressburger Intellektuellen-Bobo-Gemisch ins Wochenende geleitet.

Die Alte Markthalle (Quelle: Archiv von Pressburger Kipferln)

Also zurück und rechts die Ursulinengasse hinauf in Richtung Franziskanergasse (Františkánska). Die recht unscheinbare Ursulinenkirche war um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein wichtiger Gebetsort für die Protestanten Westungarns, gleich ob sie Magyaren oder Slowaken waren. Die Städte Ödenburg (Sopron), Güns (Köszeg) und Rust (Ruszt) spendeten für den Kirchenbau. Ein paar Jahrzehnte später überließ Leopold I. die Kirche den Ursulinerinnen. Die Gegenreformation hatte längst gesiegt.

Die kurze Franziskanergasse bietet ein Stück pittoreskes Alt-Pressburg. Ihre Attraktionen sind die gotische Johanniskapelle der Franziskanerkirche, erbaut nach dem Vorbild der Sainte-Chapelle in Paris, an die eine von den Esterházy erbaute barocke Lorettokapelle anschließt, und die Geheimnisse, die das Haus Nr. 3, heute das elegante Hotel Arcadia, umwittern. Karl Benyovszky erzählt: „Geschichtlich bemerkenswert ist das Haus Nr. 3, das sogenannte ‚Hussiten-Haus‘, in dessen kellerartigen Gewölben die Husiten (sic!), die vor den Verfolgungen aus Böhmen nach Preßburg geflüchtet waren, ihre Gottesdienste abhielten. Allerdings waren sie vor den Verfolgungen auch hier nicht völlig sicher und hielten deshalb ihre Zusammenkünfte geheim. Nach einer im Volksmunde lebenden Sage soll man später von diesen Zusammenkünften dennoch erfahren haben, einen geheimen Gang von der Franziskanerkirche in den Kellerraum des Hussitenhauses gegraben und zahlreiche Personen niedergemetzelt haben, die gekommen waren, um den gottesdienstlichen Handlungen beizuwohnen. Auch die beiden Kelche, die sich auf zwei Säulen der Loggia im Hofe befinden, sollen ein Andenken an die Hussiten sein. Demgegenüber ist es Tatsache, daß das Haus nach der Gegenreformation in den Besitz des Franziskanerordens überging, der im 18. Jh. einen neuen Trakt mit der im Hofe befindlichen Loggia erbauen ließ. Zum Gedenken an die sieghafte Gegenreformation wurden an den beiden Säulen in der Höhe des ersten Stockwerkes die Kelche mit der Hostie in Stein gemeißelt.“

Der Franziskanerplatz (Quelle: Archiv von Pressburger Kipferln)

Genug von den alten Geschichten? Ja, wenn Pressburg nicht so viele davon zu bieten hätte… Aber vielleicht ist es einfach Zeit, die Schönheit der Stadt zu genießen. Der Franziskanerplatz (Františkánske námestie) eignet sich dafür bestens. Generationen von Pressburgern kannten den Platz so, wie er heute noch aussieht. Die Franziskanerkirche mit ihrer Turmkopie, das Original wurde wegen Erdbebenschäden 1897 abgetragen und im Aupark (Janko-Kráľ-Park) aufgestellt, die wegen ihrer zurückhaltenden Fassade, es war ursprünglich ein protestantisches Gotteshaus, sehr elegante Jesuitenkirche, der Brunnen, die alten Bäume, die Mariensäule, man beachte das schöne Relief am Sockel, ergeben einen typischen altösterreichischen Platz. Alte Plätze brauchen hin und wieder ein Facelifting. Der Pressburger Franziskanerplatz erhielt seines im Frühjahr 2016. Die alten Bäume mussten jungen weichen.

Der Turm der Franziskanerkirche im Aupark.

Das prächtigste Haus am Františkánske námestie ist das Palais Mirbach, erbaut für den bürgerlichen Brauer Michael Spech. Die städtische Galerie ist einen Besuch wert, allein schon wegen der 245 in Holzkassetten gefassten Kupferstiche. Letzter privater Eigentümer des Palais war Emil Graf v. Mirbach-Kosmanos. 1945 wurde er von den Russen erschossen, Palais und Kunstsammlung wurden enteignet und nicht der Stadt geschenkt, wie es heute noch öfters heißt. Außen wurde das Museum auf das Schönste restauriert, innen durchziehen noch Reste des realsozialistischen Geistes das Gebäude.

Die Schneeweißgasse, slowakisch Biela und zu später ungarischer Zeit Corvinus-Gasse genannt, verbindet den Franziskanerplatz mit der Michaelergasse. Der Wachszieher Schneeweiß gab der Gasse den Namen (oder waren es doch die weißgestrichenen Häuser?). Auch wenn es sehr nach Touristenfalle aussieht, das Geschäft auf Nr. 7, es preist sich als ältester Laden, wahrscheinlich ist Souvenirladen gemeint, Pressburgs an, bietet im angeschlossenen kleinen Museum manch Kurioses. Im Hof ist das Manifest des Kaisers und Königs Franz Josef anlässlich der Kriegserklärung an Serbien in Slowakisch angeschlagen, im Geschäft türmen sich in Plastik eingeschweißte Pressburger Kipferl und in Vitrinen wird die bekannte Keramik aus Modern-Modra feilgeboten.

Mich zieht es immer wieder zu den alten Reklametafeln aus der Monarchie und der ersten tschechoslowakischen Republik. Sie sind originell, elegant und manchmal von künstlerischer Qualität. Im gleichen Gebäude befindet sich das Fleischmann-Museum. Arthur Fleischmann, der in Pressburg geborene Bildhauer, studierte in Budapest und Prag Medizin und danach an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Sein bewegtes Leben spielte sich fast auf dem gesamten Erdball ab, nachdem der zum Katholizismus konvertierte Jude 1937 Europa verlassen hatte. Einige von Fleischmanns Plexiglasarbeiten sind im Pressburger Museum ausgestellt.

 

Josef Wallner

Bilder und Fotos: Josef Wallner, Norbert Eisner, Braňo Bibel, Archiv von Pressburger Kipferln.

Redaktion: Peter Janoviček

 

Der Artikel wurde ursprünglich in dem Buch „Unterwegs in Altösterreich – Kakanische Reisen von Siebenbürgen bis Triest“ (Verlag Berger, 2020), von Josef Wallner veröffentlicht.

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